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PAULITAG

Vielleicht fiel die Hauptversammlung ursprünglich auf den Neujahrstag. Im Laufe des 17. Jahrhunderts erscheint der Paulitag (25. Januar) als selbstverständlicher Termin, wie bei den Fischern die Auffahrt. Der Beschluss von 1683, dass man den Paulitag „auff ein bequemlichere Zeit verenderen sölle“ und künftig den ersten Donnerstag im Mai vorsehe, wurde bereits 1700 rückgängig gemacht; wenn der Tag mit einem Jahrmarkt zusammenfiele (Erlacher Maimarkt), hätte sich die Gesellschaft „acht tag hernach oder wie solches gut gefunden wurde“ versammeln sollen, und dies führte fast jedes Jahr zu Ausnahmen. So blieb es beim Pauli.

Er geht wohl auf das Zunftbild-Datum 1621 zurück.Weltsch_Neüwburgischen Kries troublen“ hielt die Gesellschaft 1708 Sparsamkeit für notwendig und beschloss „für diss mahlen“ Verzicht auf „die gewohnte jährliche Mahlzeit“.

Jedoch sollte der Stubenzins von 10B heuer dahinfallen, dafür jeder Stubengenosse 10B aus dem Gesellschaftssäckel beziehen, „wie auch ein Mas alten Wein und überal für 30 Batzen brodt sambt einem Gesellschafft käss zu geniessen verordnet“.

Ein Jahr später wird dies zur bleibenden, der Stubenzins ins Gegenteil verwandelt, Brot für 10 Batzen die Regel. Das sollte genügen, „damit E:E: Gesellschafft sich etwelcher massen bei sothaner Zusamenkunfft ergetzen könne“, nachdem „eine zeithero bey den jährlich genossenen Mahlzeiten ein nicht geringer überfluss an Speiss und Tranck gebraucht,dieselben dahero allzu kostbahr worden“. Alter Wein, auch später stets einige Batzen teurer, war eine Ausnahme. 1712 gab es Vermuth. Käse setzte sich auf die Dauer nicht durch. Das Brot wurde im frühen 18. Jahrhundert meist selbst zum Backen gegeben, wohl in einem der beiden Stadtofenhäuser;

1710 machten 6 Mäss Kernen und der Bacherlohn 4 Kronen 11 Batzen aus. Die kräftigen Mahlzeiten drangen aber wieder ein, und aus den Rechnungen zwischen 1723 und 1734 darf man wohl schliessen, wie der Tisch auch vor 1708 jeweils ausgesehen haben mag. 1723 legte man 72U Rindfleisch in Salz ein und kaufte ferner 73U frisches oder „grünes“ Rindfleisch ein, für 52 Stubengesellen also ganz ansehnliche Portionen – 1733 sogar 98 bzw. 86U der beiden Rindfleischsorten für 51 Anwesende, somit mehr als anderthalb Kilo pro Kopf. An Wein wurde im selben Jahr 1723 ein ganzer Saum verrechnet. 1728 waren es 100 Mass auf 55 Stubengenossen. Dazu jeweils Kabis und „Köhlkraut“ (oder „Kabiskraut“, „Kabis beim Fleisch zu kochen“) und Kernen fürs Brotbacken, 1735 noch 26U Käse.

Die „Reformationsordnung“ von 1709 wurde 1737 wieder aufgegriffen, da „die Mahlzeiten nach und nach neben bezeüchung der zechen batzen widerumb eingeführt werden wollen. Solchen Missbrauch undanderen bey dergleichen mahlzeiten vorgeloffenen unanständigkeiten abzuhelffen, sowohl zum besten E:F: Gesellschafft gemeinen als auch jedess gesellschafft gnossen particular Interesse“ schreitet man zu rigorosen Beschlüssen: „alles zechen und trincken auf der gesellschafft kosten“ wird nun „gäntzlichen abgestellt“, das Pauligeld auf 15 Batzen oder ½ Taler, für Witwen auf 10 Batzen festgelegt. Das gilt überdies nur für diejenigen, die der Rechnung von Anfang bis zum Ende beiwohnen;

1740 werden die Stubengesellen, die „nur sich einen moment zeigen und dann sich ohne gnugsamme ursach darvon machen“ vom Bezug ausgeschlossen. Schon 1714 war entschieden worden, dass die am Rechnungstag um 12 Uhr mittags ohne wichtigen Grund nicht Erschienenen des Taggeldes verlustig gehen. Auf Versammlungen am Vormittag – und zwar am Sonntagmorgen – lässt übrigens auch ein Zusatz zu den Satzungen von 1599 schliessen (Text 1).

Gänzlich ohne Trunk indessen ist der Paulitag undenkbar. 1741 bereits werden die Bestimmungen wieder gelockert, zunächst mit ½ Mass Wein und Brot für ½ Batzen pro Teilnehmer. Wenig später wird im Laufe des 18. Jahrhunderts erneut das Doppelte üblich, nebst der variablen „Gesellschaftssteür“, die auch den Witwen zukommt. Damit ist praktisch die auch heute von der Witwen- und Waisenstiftung übernommene Praxis erreicht. Das Pauligeld auswärtiger Gesellschaftsgenossen wurde separat aufbewahrt, meist in einer Büchse im Gesellschaftströgli; 1774 kostet ein „Büchli die Steürenn der ausser Landts sich befindlichen Gesellschaftsgenossen einzuschreiben“ beim Buchbinder in Erlach 5 Batzen. Uneheliche Söhne von Gesellschaftern genossen nur die Witwenrechte.

Von der Natur der vorhandenen Archivalien her ist es wohl schwierig, über den Ablauf der früheren Pauliversammlungen ein deutliches Bild zu gewinnen. Ging es zunächst um die Rechnungsablage, die Wahlen alle zwei bzw. alle drei Jahre und die Neuaufnahmen „nach gehaltener umfrage“, wachte das „Examen“ der Gesellschaft streng über Ehre und Sittsamkeit (Text 11: allerlei Vorfälle). Gerichtlich Verurteilte oder des Landes Verwiesene wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder wurden auf die Witwenrechte beschränkt.

Zum Pauli sind auch kleinere Nebenauslagen zu erwähnen: fürs Heizen des Ofens in der grossen Ratsstube bezog der Hausammann, ein städtischer Beamter mit den Funktionen eines Rathausabwarts und Rathauswirts, eine regelmässige Entschädigung und nahm mit der Zeit auch in jedem Falle am Pauli selbst teil. In der Epoche der regelrechten Mahlzeiten erhielt er ausserdem den „Kocherlohn“. Jedes Jahr wurden dem Hausammann, gelegentlich auch dem Bärenwirt, die „bei diesem Anlass verlohrenen und zerbrochenen Gleser“ vergütet; sie gehörten ursprünglich der Gesellschaft selber und lagen im Trögli, später sind sie Teil des Rathausinventars der Stadt. Fürs Licht benötigte man jeweils ein bis anderthalb Pfund Kerzen.

Im Unterschied zum Ehren- und Annahmewein waren nach Massgabe des Paulitages auch andere Gelegenheiten mit einem Trunk auf Gesellschaftskosten verbunden: der allenfalls separate Rechnungstag, die Passation der Rödel, Ausschussitzungen für die Rechnungsrevision, die Trögliübergabe, ferner das jährliche Ausprobieren der Feuerspritze – auf die wir noch zurückkommen – und eventuelle Versteigerungen der Gesellschaft.