No module Published on Offcanvas position
3235 Erlach info@bgerlach.ch

Pauli Bekehrung in Erlach

 

Von Paulianer R. Sch.

Was der ¨Pauli¨ sei möchtet Ihr gerne wissen ?

Henu, das will ich Euch jetzt erklären. Aber macht`s Euch nichts, gerade mit mir aufs Rathaus hinaufzukommen ? Wir sind im Augenblick droben, und dann hat man gleich alles schön beieinander. Ihr müsst nämlich wissen: der Pauli ist immer auf dem Rathaus !

Nach diesen Worten stapfte der alte Rüedi Simmen voraus, dem Rathause zu. Er marschierte trotz seinen 84 Jahren mit zwar ziemlich langsamen, aber weit ausholenden Schritten, etwas gebeugt, genau in der Stellung, als ob er – wie in jüngeren Jahren- im Halskorb Erde oder Dünger die steilen Jolimontreben hinauftrage. Hoch und kräftig gebaut, wetterbraun Kopf und Hände,in einst blauen, nun aber bleich gewaschenen Grisshosen und grauem Aermelgilet dahinschreitend, stellte dieser weisshaarige Alte den ächten Typus des greisen Seeländer Rebbauern vom richtigen Stockholz dar. Jetzt zu schwerer Arbeit nicht mehr recht fähig, hatte er seit ein paar Jahren der jüngeren noch ¨läbigeren¨ Generation das Stickelziehen, Schneiden, Hacken, Stickln, Rühren, Schaben und Spritzen im Rebberg droben überlassen und sonnte dafür an schönen Nachmittagen seine alten Knochen auf dem grünen Bänklein vor dem Hause,wobei er, wenn ihm Frau Sonne gar zu intensiv den alten Gehirnkasten küsste, sich nur zurückzulehnen brauchte in die kühlen Blätter des Traubenspaliers, welches üppig über die ganze Front des Häuschens emporwucherte, die vielhundertjährigen gotischen Fensterstöcke aus gelbem Hauterive-Stein malerisch umrandend.

Eine Hauptfreude für Rüedi Simmen war es immer, wenn ein staffeleibeladener Maler oder sonst irgend ein Ortsfremder, der die interessante Altstadt ansehen wollte, sich bei ihm über irgendetwas ihnen noch Unbekanntes erkundigte. Wie leuchteten dann da seine alten, von Rünzelchen kreuz und quer umzogenen, aber noch immer recht hell blickenden Seebutzenäuglein, in deren Winkel der Schalk auch jetzt noch fortwährend ein behagliches Heim hatte, wenn er von der Altstadt zu reden begann. Fast von jedem der uralten Arkadenhäuschen wusste er irgendetwas Originelles aus weit zurückliegenden Jahrzehnten zu berichten viel Heiteres aber daneben doch auch manch Tragisches Ernstes.

Auch heute war nun wieder so ein fremder Herr gekommen. Der hatte sich langsam dahinschreitend, links und rechts aufmerksam die Häuser betrachtet, bis er den greisen Rüedi auf seinem lauschigen Sitz erblickte, an den er sich dann mit der Frage nach den ¨Pauli¨ wandte. Im ersten Moment war der Rüedi schier etwas erstaunt, denn wegen dem hatte ihn bis zur Stunde tatsächlich noch niemand ausgefragt. Ja nun, so fremdes Volk hat halt manchmal seine aparten Schrullen, dachte der greise Cicerone. Nun ging`s unter den von zwei friedlichen Schiessscharten flankierten Torbogen des Rathauses durch und über alte Steinstufen empor in den ersten Stock, wo ein geräumiger, nicht sehr hoher Saal die beiden einsamen, ungleichen Besucher aufnahm.

Links der Eingangstüre stand breit und stattlich ein alter, mächtiger,mit Bildern und Ornamenten verzierter Kachelofen.Zu Häupten der Eintretenden zog sich eine massive , eichene, buntbemalte Decke hin. Die Wand linkerhand schmückten zwei von Burger alt Regierungsrat Alfred Scheurer selig geschenkte Ansichten vom einstigen Erlach nach Originalen des bekannten bernischen Landschaftsmalers Aberli (gest. 1784). Geradeaus reihte sich der ganzen Vorderseite des Saales entlang einer der gelbsteinernen gotischen Fensterstöcke an den anderen. Den Hauptschmuck des Raumes aber bildete die riesige Wappentafel mit zirka hundertunddreissig Wappentäfelchen sämtlicher Burger, welche der Korporation ¨zu Rebleuten¨, der einzigen ¨Zunft¨ des Städtchens, angehören. In der Mitte dieses gewaltigen, die ganze Westwand einnehmenden Wappengestelles prangte, von einer seit Jahrhunderten im Graberuhenden, leider unbekannten Künstlerhand gemalt, eine meisterhafte Darstellung der biblischen Szene von Pauli Bekehrung. Näheren Aufschluss über die Bewandtnis dieses Kunstwerkes verschaffte die daneben in zierlichen gotischen Lettern hingesetzte Inschrift: